Zwischen Analytik und Intuition
Auf einem ehemaligen Werftgelände direkt an der Spree arbeiten Tanja Lincke und ihr Team an Um- und Neubauten unterschiedlichen Maßstabs. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Balance zwischen einem bewussten Umgang mit dem vorgefundenen Ort, einer unaufdringlichen Inszenierung des bereits Vorhandenen und einem ungezwungenen Hinzufügen von neuen, stark positionierten Elementen. Während im Umgang mit Bestandsgebäuden darauf wert gelegt wird, die Spuren der Alterung zu erhalten und lesbar zu hinterlassen, folgen Neubauprojekte einer klaren inneren Logik und fügen sich so selbstverständlich in ihre Umgebung ein. Die visuelle Kontinuität zwischen Natur und Architektur ist auch durch die Wahl gut alternder Materialien ein wichtiges Kriterium. Bei der Entwicklung eines Projektes spielt die Überprüfung der getroffenen Entscheidungen am physischen Architekturmodell sowie an atmosphärischen Collagen eine große Rolle. Gleichzeitig dienen sie als Botschafter komplexer architektonischer Gedanken.
Das Wohnhaus am Ufer des ehemaligen Werftgelände der Wasserschutzpolizei der DDR fügt sich selbstverständlich in die industriell geprägte 70er-Jahre-Struktur der Uferbebauung ein. Um den Blick zur Spree frei zu halten und die Entwicklung der umgebenden Natur möglichst wenig zu stören, wurde die Wohnebene angehoben. Ihre Boden- und Deckenplatte werden von einem zentralen Kern aus Leichtbeton durchstoßen, welcher alle Serviceeinheiten – Treppe, Küchen, Bäder – bündelt und damit eine offene Einteilung des Wohnbereichs durch reversible Zebranoholzmöbel ermöglicht.
Fasziniert von der Stimmung verwaister Industrieanlagen wurde das baufälliges Hauptgebäude einer ehemaligen Werftanlage durch fragmentarische Abtragung in einen kuratierten Ruinengarten verwandelt. Bevor der partiale Abriss begann, wurde die Ruinenform an Modellen entwickelt und 1:1 auf das Gebäude übertragen. Die geometrischen Silhouetten des Rasens erinnern an Schneisen, die durch ein Dickicht von Pflanzen geschlagen werden. Gleichzeitig bilden seine strengen Konturen ein Konterpart zur wild anmutenden Bepflanzung aus Stauden, Gräsern und Bäumen wie Birken und Essigbäumen.
Durch gezielte, im geschlossenen Zustand nicht wahrnehmbare Eingriffe wird ein dreiteiliges Garagengebäude flexibel nutzbar gemacht. Eine neue im Inneren angeordnete thermische Hülle sowie die Ausstattung mit haustechnischer Versorgung ermöglichen eine andersartige, nutzungsoffene Bespielung. Äußerlich wird nur der Rauhputz mit einem schwarzen Anstrich versehen, die Garagentore werden optisch in ihrem vorgefundenen Zustand belassen. Die neue Glasfassade nimmt den Rhythmus der Garagentore auf, bleibt aber durch den mittig gesetzten Querriegel eigenständiges Element.
Tanja Lincke Architekten, Baumschulenstr. 1b, 12437 Berlin, info@tanja-lincke-architekten.com, www.tanja-lincke-architekten.com
Tanja Lincke
2011
Bauwelt-Preis: Anerkennung „Das erste Haus“
Ark Journal Volume III, Spring/Summer 2020
The New York Times, 13. Okt. 2019
AD Architectural Digest Espagna, Februar 2020
BauNetz Woche, Shortlist 2020, 16. Januar 2020
KÖNIG Magazin, 4/2019
AD Architectural Digest, Sep. 2017
AD Architectural Digest, Okt. 2016